Cevisama 2015 | Retro rollt – Die Fliesenbranche setzt eher auf Imitation als auf Innovation
Offensichtlich ist es in der Fliesenbranche alles andere als einfach, sich von der Masse abzuheben und echte Innovationen hervorzubringen. Anders können wir uns nicht erklären, was uns beim Besuch der diesjährigen Cevisama, internationale Messe für Baukeramik und Naturstein in Valencia (Spanien) ins Auge stach: Die vielen, teilweise sehr ähnlichen Imitationen von Materialen, die eigentlich nichts mit Fliesen zu tun haben.
Holzoptik für das vermeintlich bessere Wohngefühl
Holz zum Beispiel. Kaum ein Unternehmen hat sie nicht im Programm, die Fliese, die aussehen soll wie Parkettboden. In vier oder sechs verschiedenen Ausführungen, damit man die Astlöcher und Holzstrukturen ein bisschen mischen und so den Eindruck erzeugen kann, dass hier die Natur am Werk war. Dazu das Versprechen, dass doch eine Fliese viel langlebiger ist als Holz und denselben, wenn nicht einen besseren Wohnkomfort bietet. Außerdem im Angebot: Holzpaneel für die Wände. Ein „echt britisches“ Ambiente soll da geschaffen werden, und ist doch nur ein Abklatsch des Originals.
Schlecht nachgemacht: "Zementfliesen-Fliesen"
Besonders auffällig aber sind die vielen Imitationen von klassischen Zementfliesen. Die Retrowelle rollt und die Hersteller wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Mit Produktlinien, die sie „Classico“, „Hidráulico“ oder „Vintage“ nennen und die nicht einmal halb so schön sind wie die echten, handgefertigten Zementfliesen, die mit einer hydraulischen Presse verfestigt und, im Gegensatz zu Keramikfliesen, nicht gebrannt werden.
Paradox daran ist, dass unter Vortäuschung des Außergewöhnlichen wieder ein Stereotyp geschaffen wurde, eine Einheitsfliese mit mäßigem Charme, mit bewusst eingebauten „Unregelmäßigkeiten“, die sich dann aber auf jeder dritten, vierten oder siebten Fliese an genau derselben Stelle wiederholen. Besonders (un)schön: Fliesen, die in sich ein Patchwork aus mehreren Fliesen darstellen, mit unechten Fugen und ebenso „falschen“ Mustern, die bei näherer Betrachtung unscharf und pixelig wirken.
Kein Wunder, denn diese Muster sind – wenn auch mit neuester Technik – eben nur aufgedruckt. Und das rächt sich, vor allem auf dem Boden, wo das Dekor keiner intensiven Begehung standhält. Im Gegensatz zu echten Zementfliesen, die eine Dekorschicht von ca. 0,5 cm aufweisen und deshalb auch in stark beanspruchten Innenräumen zum Einsatz kommen, hat man an der bedruckten Retro-Variante nicht lange Freude. Einzig an der Wand können sich die den Zementfliesen nachempfundenen Designs, die sich aber in weiten Teilen bei den verschiedenen Herstellern in Farbe und Form wiederholen, entfalten und über einen längeren Zeitraum bestehen.
Einige wenige, die unbeirrt ihren Weg gehen
Wohltuend und erfrischend sind dann auch diejenigen Fliesenhersteller, die sich selbst treu bleiben, ihre Nische gefunden haben und/oder etwas wirklich Neues hervorbringen. Unser Partner Cevica (auch wenn er, das müssen wir gestehen, ebenfalls nicht umhin kommt, Zementfliesenoptik anzubieten, dabei aber sehr dezent auftritt) ist ein solcher Hersteller. Mit kleinen Formaten erobert der Familienbetrieb aus Castellón, unbeeindruckt vom immer noch großen Hype um immer größere Kacheln, die ganze Welt. Kaum ein modernes Land, in das das 1986 gegründete Unternehmen noch keine Fliesen geliefert hätte. Vor allem das Format 7,5 x 15 cm, etwa die klassischen Metrofliesen (auch bekannt als Subway Tiles oder Metropolitan Tiles) oder Fliesen im Antic-Style, hat es den Kunden angetan.
Und einen weiteren Hersteller haben wir gefunden, der mit einem kleinen, aber äußerst feinen Angebot unbeirrbar und erfolgreich sein Nischendasein fristet. Ein Name sei an dieser Stelle noch nicht verraten, denn unter allen Anbietern war es das einzige Unternehmen, das uns ernsthaft in Bezug auf eine Zusammenarbeit interessiert hat. In Kürze mehr dazu...
Cevisama Valencia: Chaotisch und schlecht organisiert
Alles in allem waren wir von der Cevisama 2015 enttäuscht. Branchenkenner haben uns erklärt, dass viele Firmen in diesem Jahr erst gar nicht ausgestellt haben, einige andere Unternehmen scheinen – den Leerflächen nach zu urteilen, im letzten Moment abgesprungen zu sein. Die Aussteller selbst – wohlgemerkt mitten in Krisenzeiten – geben sich zum großen Teil arrogant und abweisend. Die Messeorganisation an sich fanden wir recht chaotisch und alles andere als besucherfreundlich. Trotz ausgezeichneten Spanischkenntnissen und mehrjährigem Aufenthalt in Valencia haben wir uns sehr schlecht zurechtgefunden. Vom miserablen Auftritt als internationales Event ganz zu schweigen. Mit unverständlichen Übersetzungen aus dem Google-Translator für die Internetseite und fehlender Rückmeldung bei Presse- und Kundenanfragen wird man kaum Publikum aus dem Ausland anziehen.
Fazit: Valencia ja, Cevisama nein.
Valencia ist immer eine Reise wert. Mit einer wunderschönen Innenstadt, einem traumhaften Ambiente im „Barrio del Carmen“, so der Name der Altstadt, vielen geschmackvollen Cafés und Kneipen und der eindrucksvollen „Ciudad de las Artes y Ciencias“, ein Werk des berühmten valencianischen Architekten Santiago Calatrava, kann man hier immer wieder eine schöne Zeit verbringen. Aber die Fliesenmesse Cevisama muss man nicht ein zweites Mal besuchen.
(c) Silke Wiegand, Casa:1 Zementfliesen, 2015
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Autor/in
Silke Wiegand
Online-Redakteurin B.A., Dipl.-Übersetzerin | Spezialistin für Content-Creation, Content-Marketing, SEO, Text, Presse und PR
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